Ein Jack London des Blues
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Von GMRezensionen
Er kommt nicht nur aus Oakland, wo sich einst Jack London niederließ, um seine unzähligen Geschichten niederzuschreiben, die sich mit dem Leben auf der Straße, auf den Goldfeldern und entlang des Schienenstrangs befassten. Seasick Steve ist ein Hobo, ein Herumziehender, der zeit seines Lebens von der Unruhe durch alle Teile seiner US-amerikanischen Heimat getrieben wurde. Im Reisegepäck hatte er den Blues, den er als Logbuch für seine Erlebnisse nutzte. Die Musik, die dabei herauskam, ist erdig und ehrlich, ohne Schnörkel und Show, direkt und unverblümt. Mit einfachstem Equipment ausgestattet, das zumeist aus einer völlig abgenutzten, meist sogar selbst gebauten Gitarre besteht und mit wenigen Akkorden erzählt er seine Geschichten, die seit über fünfzig Jahren zusammen gekommen sind und die dieses einfache, aber freie Leben beschreiben.
Das Dasein des Hobos besteht aus der Entscheidung, das Leben auf dem Weg zu suchen, ohne Mittel und intellektuelle Eskapaden. Seasick Steve durchzog das Land und teilte das Leben der Hobos, wie es klischeehafter nicht sein könnte. Die Existenz immer am Minimum, keine Bleibe, kein Einkommen, immer wieder mal Knast, wegen der Obdachlosigkeit an sich, wegen Mundraub und Randale in einer Bar. Bis er nach über 50 Jahren die Entscheidung traf, mit seiner Frau in deren norwegische Heimat auszuwandern. Auf der Schiffspassage reiherte er ununterbrochen und kam in Norwegen dann mit seinem Namen Seasick Steve an. Erst dort nahm man Notiz von ihm und heute gilt er als Gemeintipp für jene, die es satt sind, den Blues von Leuten zu hören, die mal einen kannten, der so lebte, wie sie es beschreiben.
Auf der CD Man From Another Time gibt auch Seasick Steve seine Referenz an den großen Bo Diddley, aber ansonsten wirft er den Hörern seine handgestrickten Wahrheiten unverblümt an den Kopf, Titel wie Just Because oder ThatŽs All verraten, dass dort keine geheimen Botschaften zu erwarten sind. Im Titel Man Of Another Time gibt er zu verstehen, dass ihm bewusst ist, nicht mehr zu dieser Zeit zu gehören und sein Lebenskonzept einer anderen, längst vergangenen entspringt. Da reichte schon das Lied eines morgentlichen Vogels, um den Reisebefehl für einen anderen Weg ohne Ziel zu erhalten. Und in My Home verrät er, dass es keine kalten geographischen Größen sind, die seinen Weg inszenierten, sondern die Sehnsucht nach den Blauen Augen einer Frau.
Wer es down to earth im wahrsten Sinne des Wortes liebt, der sollte sich Seasick Steve unbedingt zu Gemüte führen. Da fällt alles Manirierte ab, da geht's ans Eingemachte, da sind alle Ausflüchte unerreichbar. Eine brutal ehrliche Musik.