Laurie Anderson ist mir vor fast 30 Jahren zum ersten Mal begegnet - im überforderten Autoradio auf dem Musikcassetten-Mitschnitt eines völlig durchgeknallten Fotografen, der ansonsten mit voller Lautstärke den Weißrauschraum zwischen zwei Radiosendern bevorzugte. Nicht die besten Voraussetzungen für ein erstes Kennenlernen also... und doch hat mich "Big Science" damals sofort berührt, fasziniert. Mit jedem Durchlauf ein neues Detail, ein neues musikalisches Glitzern im Anderson-Universum, das mich bis heute nicht mehr losgelassen hat und mit "Homeland" wieder einmal die unglaubliche Tiefe und Brillianz dieser Ausnahmekünstlerin unter Beweis stellt: ein weiterer Stern, zu dem ich gerne aufblicke.

Außergewöhnlich. Zum oft Anhören. Ihr bisheriges Meisterwerk. Auf dem Cover ihr Alter Ego Fenway Bergamot (»Another day in America« mit Antony im Hintergrund), da sprechsingt (mehr sprech als sing) sie mit tiefer Stimme von Amerika verrätselt-märchenhaft. Musikalisch wie aus dem Paradies bzw. einer uralten Vergangenheit als es noch wirkliche Geschichten gab, die man zwar lesen, hören und vor dem inneren Auge auch sehen kann, aber niemals ganz begreifen kann … »Ah America« … und deshalb ganz oft anhören muss. Dazu Antony als Backgroundsänger - nein eigentlich BackgroundENGEL, schon beim ersten Hören fühlt man sich in einer schwebenden Zwischenwelt. Als textliche Referenz fällt mir eigentlich nur Edgar Allen Poe ein! Wie das 45min Video (extra-DVD vielleicht nur was für Spezialisten) zeigt, wäre sie kurz vor dem Ende gescheitert, wäre nicht ihr Ehemann Lou Reed beigesprungen, dieses Projekt zu vollenden - wie er bescheiden und zurückhaltend und voller Respekt über seine Partnerin spricht, seine Anteile an der Vollendung dieser herausragenden Aufnahme überhaupt nicht in den Vordergrund stellt. Vorsicht! Musik und Stimme dieser Ausnahmegesamtkünstlerin zieht dich hinein und lässt dich nicht mehr los …

Laurie Andersen ist eine Dimension für sich: Sie ist nicht nur eine originelle Musikerin, sondern erprobte Multi Media Artistin und Poetin mit durchaus kritischen Blick auf Politik und Gesellschaft. Ich durfte 2 Performances dieser aussergewöhnlichen Frau erleben, die mich nachhaltig beeindruckten: hier ist, und wie selten ist das heute, eine eigenständige Künstlerin, die fähig ist, einen eigenen, aussagekräftigen Mikrokosmos zu erschaffen. Sie schert sich einen Dreck um Moden und geht seit langem ihren Weg. Wer sich auf so viel Eigenständigkeit einlassen kann und will, wird bei ihr stets belohnt.